Slow Travel: Mit Zug & Fähre von Deutschland nach Albanien
Aktualisiert: 21. Juni
Von München über Bologna und Bari nach Durres in Albanien.
Wie ich auf die Idee kam, mit Zug und Fähre nach Albanien zu reisen? Gute Frage. Generell versuche ich, Flugreisen zu vermeiden und habe daher schon beim Buchen der Reise recherchiert, welche Alternativen es zum Flieger gibt. Und bin auf die Fähren zwischen Italien und Albanien gestoßen. Mit Zwischenstopps in den Städten Bologna und Bari in Süditalien und ein bisschen Zeit ist das durchaus machbar.
Bologna
Von München Hbf geht es in gut 6 Stunden mit dem EC über die Alpen nach Bologna. Bologna kenne ich vor allem von der Bologna-Reform – die dafür verantwortlich war, Bildungsabschlüsse in Europa zu vereinheitlichen, Magister- und Diplom-Abschlüsse in Deutschland abgelöst hat und die mich damals zu einer der ersten Bachelor-Absolventinnen gemacht hat. Als ich aus dem Zug aussteige, erschlägt mich erstmal die Hitze der Stadt. Obwohl es schon halb neun abends ist, hat es noch locker über 30 Grad. Mein Hotel ist nur 5 Minuten vom Bahnhof entfernt, ich schwitze aber trotzdem als ich ankomme. Mit meinem ganzen Gepäck aber auch kein Wunder. Schon auf dem Weg zum Hotel höre ich die Zikaden lauthals brüllen – für mich ziemlich ungewohnt, sie mitten in der Stadt zu hören.
Nach dem Check-In heißt es: Hunger stillen. In der Altstadt entdecke ich ein nettes Bistro, an dem mir eine Schinken- und Wurstplatte auf Empfehlung des Kellners serviert wird. Ich dachte eigentlich, da wäre auch ein wenig Käse dabei, aber es ist rein wurstig. Ich quatsche noch kurz mit der Familie und mach mich dann schon wieder auf den Rückweg ins Hotel, da ich doch recht müde bin.
Am nächsten Morgen genieße ich das Hotelfrühstück und will eigentlich nebenbei schon ein bisschen arbeiten – allerdings streikt der W-Lan Zugang bzw. mein Rechner. Ich probiere es überall im Hotel aus, bekomme aber keine stabile Verbindung. Der Supergau für die digitale Nomadin. Für den Fall habe ich allerdings vorgeplant und bereits Coworking-Spaces in der Gegend recherchiert. Im superschicken Student Hotel (mit nicht wirklich studentenfreundlichen Preisen) buche ich mir einen Tagespass und kann endlich arbeiten.
Bevor am Abend mein Nachtzug fährt, habe ich nach Feierabend noch ein paar Stunden, um die Stadt ein bisschen kennenzulernen. Zu Fuß lässt sich Bologna super erkunden und ich lasse mich durch die schicken, trubeligen Gassen der Innenstadt treiben. Mein Abendessen gibt es in einem Outdoor-Cafe, das ich am Vorabend entdeckt habe. Leider mit ziemlich viel Plastik-Müll, da alle Gerichte in Einweg-Plastik serviert werden. Gut genährt kann ich daher mein Gepäck im Hotel abholen und mich in Richtung Bahnhof begeben.
Nachtzug nach Bari
Wie ein kleines Kind freue ich mich auf meine Einzelkabine im Nachtzug von Bologna nach Bari. Mit ein paar Minuten Verspätung starten wir in Bologna Centrale. Mein Bett ist bereits umgeklappt, ich lese aber noch ein bisschen bevor ich mich schlafen lege. Trotz Geratter verabschiede ich mich kurz hinter Rimini in das Land der Träume, während der Zug weiter gen Süden tuckert.
Bari
Pünktlich um 6:30 komme ich in Bari an. Der nette Schaffner klopft sogar kurz an meine Tür, um mir Bescheid zu geben, dass wir gleich da sind. Da bin ich aber schon längst wach und schaue aus dem Fenster die flache Küstengegend an. Von Bari weiß ich eigentlich kaum etwas und bin umso mehr überrascht von der Stadt an der Adria mit ca. 300.000 Einwohnern.
Da ich erst um 10 in mein Airbnb einziehen kann, suche ich nach einem ruhigen Café in Bahnhofsnähe, um ein bisschen zu arbeiten. Nach den ganzen technischen Problemen gestern muss ich einiges nachholen. Das erste Café direkt am Hauptbahnhof ist leider viel zu laut – Italiener die schnell einen Espresso am Tresen trinken sich lautstark unterhalten - und das W-Lan funktioniert auch nicht. Daher ziehe ich weiter und entdecke ein nettes Café mit Frühstücken, gutem Cappuccino und stabilem Wifi – Checkpot!
Irgendwann ist mein Arbeitstag dann aber auch vorbei und ich kann es kaum abwarten, die Stadt zu erkunden. Meine Unterkunft ist in der Nähe der Universität, an der die Studentinnen und Studenten ihren Abschluss feiern und sich fein herausgeputzt haben. Mit Kränzen im Haar und Konfetti von oben werden die Neu-Akademiker von Freunden und Familie empfangen, um mit einem Glas Sekt auf sich anzustoßen. Ich erinnere mich an meine Unizeiten zurück, die jetzt leider auch schon wieder ein paar Jährchen zurückliegt – vor fast genau 10 Jahren habe ich meinen Bachelorabschluss in Augsburg gemacht. Ein wirkliches Fest gab es leider weder bei meinem Bachelor- noch bei meinem Masterabschluss. In Augsburg musste ich mein Abschlusszeugnis bei einer typisch deutschen Universitätsangestellten abgeholt, die mir das Zeugnis genervt in die Hand gedrückt hat. Bei meinem Master in Nürnberg war es noch unpersönlicher und mir wurde das Abschlusszeugnis einfach per Post zugeschickt. Vielleicht sollte ich recherchieren, was man an der Universität Bari so studieren kann?
Jetzt heißt es aber erstmal: die Stadt erkunden. Ich schlendere die Einkaufsstraße entlang und bin erstaunt, wie sauber und grün es hier ist. Auch die Architektur ist beeindruckend. Ein hübsch verziertes und vermutlich renoviertes Haus nach dem anderen.
In der Altstadt rund um die Basilika Nicolas wird es dann typisch italienisch: enge Gassen, sonnengebräunte italienische Jungs, die Fußball spielen und Omis, die vom Fenster aus beobachten, was in ihrer Nachbarschaft so passiert. Ich lasse mich auch hier einfach treiben und laufe ohne wirkliches Ziel durch die Gassen. Wie ich von meinem Gastgeber Girorgio erfahre, ist die Kirche Sankt Nicolas der Grund für die vielen Russen hier in Bari, da sie ein orthodoxer Wallfahrtsort ist. Auf der Straße quatsch mich auch eine alte Russin and und versucht mir auf Russisch zu fragen, ob ich ein Foto von ihr machen kann.
Von der Altstadt geht es weiter zum Stadtstrand „Pan i Pomidore“ – Brot und Tomaten. Ich springe kurz in die Adria, die mir aber zu warm ist und eigentlich keine Erfrischung bietet – es hat locker 35 Grad in Bari. Auch gibt es keine Wellen, mit denen man spielen kann – fast ein bisschen langweilig. Ich liege noch ein bisschen am Strand und beobachte die Leute. Neben mit wird sogar ein Beachvolleyball-Feld aufgebaut. Die Einladung, mitzuspielen, lehne ich aber dankend ab – auf 5:5 im Sand hab ich nicht so viel Lust und ich merke, dass ich doch ziemlich müde bin nach der Fahrt im Nachtzug. Ich hole mir daher unterwegs noch eine Pizza, die ich nach einer ausgiebigen Dusche im Bett esse.
Bari hat mir auf jeden Fall sehr gut gefallen und ich kann die Stadt für jeden Süditalien-Urlaub empfehlen – das junge Flair einer Universitätsstadt, alte Gebäude und Gassen und natürlich leckeres Essen. Zudem gibt es zahlreiche Ausflugsmöglichkeiten im Umland, von denen ich aber leider nicht berichten kann – beim nächsten Mal dann.
Mit der Fähre nach Durres/Albanien
Das größte Abenteuer der Reise ist die Nachtfähre nach Durres an der albanischen Küste. Ich bin froh, dass mein supertoller Airbnb-Gastgeber Giorgio mir anbietet, mich zum Hafen zu fahren. Dort ist es nämlich riesig und superverwirrend. Nach dem Check-In (der mindestens 2 Stunden vor der Abfahrt am Hafen stattfinden muss) bekommt man nämlich keinerlei Informationen, wo man jetzt genau abfährt oder ob man noch mal kontrolliert wird.
Giorgio fährt mich dann sogar noch zur Fähre, ansonsten gibt es Shuttle-Busse, die einen zur richtigen Fähre bringen. Es ist 20:30, als Giorgio mir noch eine gute Reise wünscht und sich verabschiedet. Die Fähre legt um 23:00 Uhr ab, daher heißt es erstmal: warten und meinen derzeitigen Schinken „Die Liebe in Zeiten der Cholera“ – wunderschön geschrieben von Gabriel García Márquez – im Warteraum lesen.
Gegen halb zehn startet dann das Boarding, ich muss noch zweimal meinen Ausweis und das Ticket vorzeigen. Beim ersten Check ist alles ok, der zweite Beamte ist nicht mehr ganz so freundlich, als ich ihm den Grund meiner Reise nenne: Urlaub. Er klärt mich auf, dass man aktuell nicht aus touristischen Gründen nach Albanien einreisen darf. Kurz werde ich panisch: ich hab doch alles gecheckt, hat sich innerhalb weniger Tage etwas verändert? Er lässt sich allerdings beruhigen und lässt mich passieren, ich muss ihm nur versprechen, nicht wieder nach Italien bzw. Bari einzureisen. Ab sofort bin ich also geschäftlich als Reisebloggerin unterwegs. Nur falls mich nochmal jemand fragen sollte 😉
Endlich kann ich auf die Fähre. Da ich keine Kabine gebucht habe, inspiziere ich die Gemeinschaftsräume an Deck nach einer geeigneten Schlafmöglichkeit. Nicht unbedingt gemütlich, aber zumindest hat man genug Platz auf den weißen Plastikbänken. Die Klimaanlage läuft auf Hochtouren – Zeit also für Sandalen in Socken. Ich bin zudem froh, meinen Schlafsack dabei zu haben. Meine Wertsacken verstecke ich in meinem Laufgürtel, den ich um meinen Bauch trage und hoffe, dass ich nachts nicht ausgeraubt werde. Irgendwie schaffe ich es sogar, ein paar Stunden zu schlafen und werde kurz vor Sonnenaufgang wach - lebend und mit allen meinen Sachen.
Auf dem Weg zu meinem wahrscheinlich letzten italienischen Cappuccino sehe ich so einige Menschen im Gang liegen und tief und fest schlummern. Vielleicht wäre der Teppich doch die gemütlichere Wahl mit gewesen.
In Durres werde ich von dem freundlichsten Grenzbeamten überhaupt empfangen – und das sage ich ausnahmsweise völlig ohne Ironie. Ihn interessiert es im Vergleich zu seinem italienischen Kollegen überhaupt nicht, was ich in Albanien so treibe. „Welcome to Albania“ heißt es nach nicht mal 2 Minuten und ich bin in Albanien angekommen. Meine schöne Geschichte, in der ich eine erfolgreiche, um die Welt jettende Reisebloggerin mit 100.000 Lesern und 1 Million Instagram Followern und daher geschäftlich unterwegs bin, hab ich mir letzte Nacht also ganz umsonst ausgedacht.
Girorgio hat mir vor der Abfahrt noch erzählt, dass Apulier und Albanier eine ganz besondere Beziehung zueinander haben. Er hat mir Bilder aus den frühen 90ern gezeigt, als auch in Albanien die Reisefreiheit gelockert wurde und an einem Tag 15.000 Albanierinnen und Albanier in Bari ankamen. Ich kann es kaum erwarten, mehr über die albanische Geschichte und Kultur zu erfahren und natürlich die Natur hier kennenzulernen. Morgen startet die Wandertour, die ich gemeinsam mit Bea und einer Gruppe anderer Reiselustigen antreten werden. Ich bin sehr gespannt, was wir in den nächsten Tagen so erleben.